Ein helles Licht zu sehen am Ende des Tunnels, den wir nun seit mehr als zwei Jahren gefühlsmäßig durchschreiten, scheint zusehends schwerer zu werden. Von einer Krise nach der anderen, die es zu durchstehen gilt, ist da die Rede. Die Schwarzmalerei, die heute durch die stetige Einwirkung der Medien unsere Gesellschaft durchdringt, droht zu einer Art Standardkultur zu werden. Die journalistische Grundregel „Only bad news is good news!“ lässt uns im digitalen Zeitalter immer weniger „Auszeiten“ zum Abschalten von den Anforderungen, die auf uns wirken, und zum Träumen.
Das selbstmitleidige Lamento „in diesen Zeiten“ leben zu müssen, umschreibt eine um sich greifende Geisteshaltung, die mehr als bedenklich stimmen mag. Aber gleichzeitig scheint unsere zur Gewohnheit gewordene Anspruchshaltung davon nur wenig beeinträchtigt zu sein. In unserer Welt, die uns wohl selten so viele Möglichkeiten bot wie heute, scheint es vielleicht manchem sinnvoller, statt sich eine gute Zukunft erhoffen und gestalten zu trauen, sich besser im persönlichen Umfeld nach eigenen Möglichkeiten einen kleinen „Himmel“ zu schaffen, solange es noch geht.
Doch gerade wenn wir auf Weihnachten zugehen, was ja nach christlicher Tradition ein Freudenfest ist und sein soll, wirft uns dieses krisendominierte Lebensgefühl paradoxerweise direkt zurück mitten in die biblische Geschichte der allerersten Weihnacht im Stall zu Bethlehem. Damals in jenen Tagen, als ein Gebot ausging vom Kaiser Augustus, das ohne Kompromisse alle Welt im Römischen Reich zum Steuerzensus zwang, mag die Not, unter der Maria und Joseph in der Heiligen Nacht unterwegs waren, die unsere verblassen lassen. Aber gerade darin findet der christliche Glaube seinen Sinn. Hier erweist er seine Stärke als Gottesgeschenk und Quelle immer neuen Lebens, das aus der Hoffnung auf eine gute Zukunft schöpft, notfalls trotz allem, was diese zu hindern droht. Denn in jener Nacht hat er das Licht der Welt erblickt, der Christus. Und mit ihm ist bereits ein Stück von dem angebrochen, was in letzter Konsequenz unser Ziel ist, das Reich Gottes.
Als Christen verstehen wir uns als Jesu Nachfolger, gerufen daran mitzubauen und trotz mancher dunklen Nächte, die es zu durchwachen gilt. Stattdessen gilt es, dem lichten Himmel auf Erden und der Hoffnung sowie der Freude am Leben für alle Menschen eine Chance zu geben. Darum ging es damals in der ersten Heiligen Nacht und darum geht es für uns vor allem auch heute.
Der evangelische Theologe Dieter Trautwein fasste dies 1963 in einem Weihnachtslied in Worte und Noten, indem er schrieb: „Weil Gott in tiefster Nacht erschienen, kann unsre Nacht nicht traurig sein!“ (Evangelisches Gesangbuch Nr. 56) Oder wie es der Engel des Herrn höchstselbst zu den Hirten auf dem Felde sagte: „Fürchtet euch nicht! Denn siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk zuteilwerden soll.“ (Lk 2,10)
Damit wünsche ich Ihnen allen eine gesegnete, freudige und hoffnungsfrohe Advents- und Weihnachtszeit nicht zuletzt im Blick auf das neue Jahr 2023 und alle unsere Zeit und Pläne für die Zukunft.
Ihr Robert Maier, Pfarrer