Gruß zu Exaudi

Bei dir ist Vergebung, dass man dich fürchte. (Psalm 130,4)

   Dieses Wort aus dem Psalm 130 ist die Herrnhuter Losung für den Sonntag „Exaudi“, den wir am 24. Mai 2020 feiern. Mit „dir“ und „dich“ darin ist natürlich Gott gemeint, der wie in jedem Gebet der Angesprochene ist. Das Wort „fürchten“ hat darin nichts mit Angsthaben zu tun, sondern bezeichnet den Respekt des gläubigen Menschen vor Gott, der uns nach unserer Überzeugung persönlich begegnen will. Und thematisch geht darin um „Vergebung“, die wir bei Gott finden.

Robert Maier
    Vergebung aber braucht in der Regel einen Schuldigen, dem oder der vergeben werden soll. Solche Schuldigen wurden gerade in letzter Zeit wieder in vielerlei Weise benannt. Die Bundesregierung etwa, die schuld ist, weil sie die Corona-Pandemie anfangs in ihrer Bedrohung unterschätzt hat. Der oder die jeweils andere, weil die Meinungen über die derzeit nötigen Schutzmaßnahmen und deren Einhaltung in unserer Bevölkerung weit auseinander gehen. Verschwörungstheoretiker gehen in die Öffentlichkeit und auf die Straße und geben die Schuld bei allem, was geschieht oder gar angeordnet wird, dubiosen Machthabern, die mit böswilligen Absichten hinter den Kulissen Strippen ziehen. Der amerikanische Präsident gibt für alles Mögliche in seinem Land derzeit immer wieder gerne einem ganzen Volk die Schuld und warnt die Welt vor der Gefahr, die von China ausgeht. Und in eben dieser Atmosphäre der unsichtbaren Bedrohung wächst gerade ein gegenseitiges Misstrauen, das die Menschen gegeneinander aggressiv macht und sie gerne glauben lässt, die Verantwortung läge immer bei irgendjemand anderem, nur nicht bei mir. Was natürlich auch verständlich ist, angesichts mancher Existenz, die aufgrund der derzeitigen Lage auf dem Spiel steht.

    Dennoch kommen wir nicht umhin, die Dinge immer vernünftigerweise von verschiedenen Seiten zu betrachten. Dabei fällt mir das schöne Bild ein, das sagt: Wenn du mit dem Finger auf andere zeigst, dann zeigen immer zugleich vier Finger deiner Hand auf dich selber zurück. Vier Finger, die dich mahnen: Du sollst nicht anklagen, sondern Vergebung üben. Und besinne dich zunächst einmal auf dich selbst. Oder wie Jesus es in seiner oft sehr konfrontativen Art sagte: Du Heuchler, zieh zuerst den Balken aus deinem Auge, danach kannst du sehen und den Splitter aus dem Auge deines Bruders ziehen. (Lk 6,42)

   Im Vers aus den Neuen Testament, das zur oben genannten Losung ausgesucht wurde, meldet sich Paulus zu Wort und meint: „Wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr!“ (Kol 3,13) Fragt sich nur: Wie geht das, vergeben, wie Jesus es getan hat? Und sind wir überhaupt fähig zu solcher Vergebung und Gerechtigkeit, wie sie Jesus übt?
   Die Antwort lautet: Ja! Zumindest dann, wenn wir Jesu Ruf in die Nachfolge ernstnehmen, und es mit dieser Nachfolge am Ende etwas werden soll. Das Geheimnis liegt wohl in der Feststellung, dass schließlich Gott auch uns vergeben hat, spätestens bei unserer Taufe. Und dass er uns immer wieder vergibt, uns eine neue Chance, einen Neuanfang ermöglicht, und zwar ohne Vorbedingungen, wenn wir dazu bereit sind. Wenn wir das bedenken, fällt es uns vielleicht leichter, auch mit unseren Mitmenschen und der Welt, wie sie ist, nachsichtiger zu sein. Dann werden wir frei und müssen ihr nicht alles aufrechnen, sondern können ihr und uns eine neue gemeinsame Chance und Zukunft geben. Zu vergeben, wie der Herr uns vergibt, wird uns in dieser Weise gewiss nicht immer gelingen. Aber den Versuch ist es wert. Das zumindest lohnt sich immer.

   Wir haben Vergebung nötig, mehr denn je in Zeiten, wo es darum geht zusammenzuhalten und Schwieriges zu überstehen. Die Dinge von verschiedenen Seiten zu betrachten, dazu uns selbst auch immer einer kritischen Betrachtung zu unterziehen, bevor wir urteilen, dazu braucht es persönliche Verantwortungsbereitschaft, Vernunft und Besonnenheit, sowie einen neuen, beständigen Geist. Und gerade dazu gehört auch angesichts aller Not immer eine gewisse Portion an Humor und Sportsgeist sowie der Mut, die Dinge, die nötig sind, einfach anzupacken und durchzuziehen. Dann schaffen wir das!

   Amen.

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